Eine Hommage an François Truffaut und den Autorenfilm
von Ralph Segert
Heute, am 6. Februar 2009, wäre François Truffaut 77 Jahre alt geworden. Der grundgute, viel zu früh verstorbene Regisseur, Autor, Produzent und Schauspieler hat in mir die Begeisterung für den französischen Film geweckt.
Fast genau vier Jahre nach Truffauts tragischem Tod, am 21. Oktober 1984, habe ich das erste Mal einen Film von ihm gesehen. Vor kurzem entdeckte ich eine Notiz darüber in einem Tagebuch, das ich damals schrieb. Ich hatte kein Faible für besondere Filme und keine Ahnung, was Film Noir und Nouvelle Vague bedeutete, aber der Filmklassiker Jules und Jim hatte mich sehr beeindruckt. Er machte mir Mut in einer Zeit, in der ich alles anzweifelte und in einer unglücklichen Liebe verstrickt war. „In dem Film steckt soviel, ich würde ihn gerne noch 3mal sehen“, schrieb ich und dachte zwischen Verstörung und Bewunderung darüber nach, wie es möglich sei, eine so schöne und vorurteilsfreie Liebesgeschichte zu zeigen. Sie zeigte mir „die Unmöglichkeit der Liebe zu dritt“ und war zugleich eine Bestätigung meiner Sehnsucht nach intensiver Freundschaft.
Es vergingen weitere 5 Jahre, bis die unglückliche Liebe endlich zerbrach. Ich war vor vollendete Tatsachen, war auf mich allein gestellt. Ich zog vorübergehend zu einem Freund, der mit mir Geschichte studierte und der für einen Monat seine Eltern in Süddeutschland besuchte. Ich nahm meinen neuen Videorekorder mit und freute mich von Woche zu Woche auf interessante Filme, die damals zu Hauf auf arte liefen. Das war Anfang 1994.
Die dramatisch bis tragischen Filme, die ich mit Vorliebe sah, trösteten mich. Neben der Musik halfen sie mir, die Einsamkeit zu ertragen. Nebenbei schulte ich meinen Blick für Filme, die dem unberechenbaren Leben auf der Spur waren, die von der Intensität der Darsteller lebten und ein offenes, illusionsloses Ende hatten. Ein offenes Ende zu akzeptieren, war anfangs nicht einfach. Meine Sehgewohnheiten waren durch Bonanza und Flipper, James Bond und Bruce Lee geprägt. Nicht zu vergessen die sonntäglichen Gozilla-Filme, die wir in einem schmuddeligen Vorstadtkino sehen durften, damit unsere Eltern ihre Sonntagsruhe hatten. So gewöhnte ich mich an das Happy-End und es dauerte ein wenig, bis ich es nicht mehr vermisste. Dann war für mich das überzeugend in Szene gesetzte offene und skeptische Ende das Gütesiegel eines guten Films. Das ist bis heute so geblieben.
Nach einigen Jahren vergass ich wieder meine Filmbegeisterung und war ganz auf meine DJ- und Internet-Ambitionen konzentriert. Für gute Filme blieb ich aber offen, die Filmmassenware dagegen langweilte mich. Als ich vor einigen Jahren das erste Mal Les Quatre Cents Coups (Sie küßten und sie schlugen ihn) von Truffaut sah, war es um mich geschehen. Ich begann, die Filme Truffauts zu suchen und besorgte mir Bücher über und von Truffaut. 2007 schenkte mir meine Frau die Biografie François Truffaut von Antoine de Baecque und Serge Toubiana. Das Buch liest sich wie ein fesselnder Roman. Berührt und getroffen hat mich das Kapitel über Truffauts Krankheit, die zu seinem Tod führte. Traurig las ich das Buch zu Ende und es blieb eine selten gefühlte Verehrung für einen Mann, der gegen alle Widrigkeiten mit einer bewundernswerten Ausdauer und Leidenschaft unvergessliche Filme geschaffen hat, geprägt durch seine Liebe zu Kindern, Büchern, Frauen und zum Kino.
Die Beschäftigung mit Truffaut hat mich auch zu anderen Regisseuren des französischen Nachkriegskinos geführt. Ich entdeckte Filme von Louis Malle und Claude Chabrol, Jean Renoir und Claude Sautet, Alain Resnais und Jacques Rivette. Ein ganzer Kosmos der Filmkunst eröffnete sich mir, der in mir eine zunehmende Begeisterung für das Leben und die Arbeit von Regisseuren, Schauspielern, Komponisten, Drehbuchautoren, Kameramännern und ihrer Filme schuf. Es entstand das Bedürfnis, über ihre Kunst zu schreiben.
Der Gedanke, ein Webprojekt daraus zu machen, lag nahe. Ich war froh, mir die Domain truffaut.de sichern zu können. So wird diese Domain nicht von Linkspammern missbraucht. Auf der Website Eine Hommage an François Truffaut und den Autorenfilm möchte ich meiner Begeisterung Ausdruck verleihen. Eine Begeisterung, die mehr als alles andere dazu in der Lage ist, andere Menschen neugierig zu machen auf die Filme, Personen und Bücher, die ich hier aus persönlicher Perspektive vorstellen möchte.
Foto: Cover des Buchs François Truffaut – Biografie von Antoine de Baecque und Serge Toubiana, hrsg. von Robert Fischer, Egmont 2004
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6.02.09 | Tags: François Truffaut · Regisseur | Trackback